07 Juli 2007

Honig

Das ZDF hat sich dazu durchgerungen, ein Forum zum Freitag (1) zu machen, und dazu eine muslimische Religionslehrerin eingeladen, Lamya Kaddor. Eine hübsche Frau ohne Kopftuch. Eine unauffällig angenehme Person.

Dass sie den Kindern, wie sie erzählt, muslimische Werte beibringt, ist auch schön, und so vermittelt sie, wie sie erklärt, als Wert den Respekt vor den alten Leuten und - nach kurzem Nachdenken - die Nächstenliebe.

Nächstenliebe! Schau einer an. Jeder Christ weiss, ja jeder Mensch weiss, was Nächstenliebe ist - das wichtigste Gebot im Christentum, ebenso wichtig wie die Gottesliebe, das wohlwollende Zugehen auf den anderen, die Basis des gleichberechtigen Zusammenlebens, ein Wert, der in der einen oder anderen Formulierung in jeder Kultur genannt wird - und jetzt ist das also auch ein muslimischer Wert.

Da freuen wir uns aber schon wirklich gar sehr über diese Überraschung, so süss wie Honig.

In einem Zeitungsinterview (2) nach der Sendung wird sie dann noch gefragt,

Ob der Koran für Muslime als direkt von Allah gegeben über unserem Grundgesetz stehe?

Und sie hat eine sehr schöne Antwort:
„Das Grundgesetz ist unser Staatssystem (3), und der Koran eine Idealvorstellung von einem Gottesstaat, den es nirgendwo auf der Welt gibt. Deshalb stellt sich mir diese Frage überhaupt nicht.“

Idealvorstellung, Gottesstaat! Wunderbar! Thomas von Aquin klingt an, der streng zwischen dem idealen Gottesstaat im Himmel und dem realen Staat hienieden auf Erden sprach, und das hat wirklich nichts miteinander zu tun. Wenn das so ist, stellt sich dann die Frage nach dem Gesetz im Himmel und auf Erden wirklich nicht.

Die Muslime haben also im Grunde dieselben Vorstellungen wie Thomas von Aquin, und das ohne Rancune, einfach so, obschon der Thomas doch nun wirklich ganz harte Worte gegen den Islam verlor. Sie lesen jetzt die Texte sogar nach der historisch-kritischen Lesart, und dies altersgerecht. Es ist alles gut, wir haben sie nur über Jahrhunderte falsch verstanden. Oder ihnen gar schlecht zugehört.

Bloss, wenn alles gut ist, warum sagt sie dann dies:
„Natürlich möchte ich, dass sich Muslime integrieren, allerdings muss man Ihnen auch Angebote seitens der Mehrheitsgesellschaft machen.“

Ein Angebot? Wie denn, es ist doch alles gelöst, alles getrennt, die Korangesetze betreffen den Gottesstaat im Himmel, es braucht kein Kopftuch, es gibt keinen Ehrenmord, hienieden kein unbetäubtes Schächten, keine Schwimmunterrrichtsverweigerung, keine Ausnahmen für Muslime, alle sind gleich, denn das Gottesgesetz ist ja jenseitig, hat sie doch eben ge....

Nein, hat sie nicht gesagt.

Sie hat nicht gesagt, dass der ideale Gottesstaat überirdisch sei. Sie hat die Vorstellung von Thomas von Aquin nur anklingen lassen.

Dass es den idealen Gottesstaat nirgends auf der Welt gibt, heisst nicht, dass es ihn nie geben soll. Das nämlich wäre unislamisch, das weiss sie, das wissen ihre muslimischen Zuhörer. Die Idealvorstellung des Gottesstaates muss nach wie vor angestrebt werden, hienieden.

Und schon wird klar, warum die Mehrheitsgesellschaft (ein politisches islamisches Wort) den Muslimen entgegenkommen soll: Die Forderungen bleiben bestehen, das islamische Gesetz gilt nach wie vor, das islamische Gesetz steht über dem irdischen deutschen Gesetz - die Frage stellt sich gar nicht.

Aber das kann man ja nicht so deutlich sagen, jetzt, wo schon wieder auf der ganzen Welt Ärzte verhaftet werden, die Attentate koordinierten, planten und ausführten. Das kann man nicht so deutlich sagen, jetzt wo alle Nicht-Muslime genau zuhören, was Muslime sagen.

Es braucht nette Worte in diesen schweren Zeiten. Es braucht Worte, welche der Nicht-Muslim gerne hört, Worte, die ihm das Herz erwärmen und welche er aufsaugen kann wie Honig.

Nächstenliebe, idealer Gottesstaat, historisch-kritische Lesart, die sie ebenfalls nennt, sollen wirken wie Honig. Aber diese Nächstenliebe ist auf den nächsten Muslim beschränkt, der ideale Gottesstaat bleibt Ziel auf dieser Erde, und ihre historisch-kritische Lesart, altersgerecht den Kindern verabreicht, ist nicht zu verwechseln mit der historisch-kritischen Methode, welche erwachsene Wissenschaftler anwenden, die Methode, welche Ralph Giordano in seinem Gespräch mit Herrn Alboga ganz bewusst ansprach, die Methode, welche Humbug entlarvt.

Frau Kaddor reiht bloss weitere Wörter in den nebeldeutschen Wortschatz ein, wie das mit Frieden, Dialog, Ehre und Menschenrechte schon geschehen ist.

Aber es bleibt Nebeldeutsch. Es bleibt Täuschung. Es ist kein Honig.

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(1) Forum zum Freitag: klickmich referiert bei Jörg Lau: klickmich
(2) FAZ : klickmich

(3) Dass das Grundgesetz des des deutschen Staates ein Staatssystem ist, wäre eine separate Diskussion wert. Man kann darüber spekulieren ob sie mit „unser“ als Deutsche sprach oder als Muslimin.

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Hier noch der Chat nach der Sendung: klickmich Lesenswert: Basis für 10 Nebeldeutsch-Artikel, die ich mir spare.

update 11.7.2007: "Nach Angaben der Verantwortlichen will das ZDF mit der Sendung auch dem nichtmuslimischen Publikum die Angst vor dem Islam nehmen."
Quelle hier
Hübsch missraten, dieser erste Versuch.

update 21.7.2007: Hier wird eine weitere dieser Dhimmisendungen kommentiert: klickmich

1 Kommentar:

ulfeder hat gesagt…

Das Wort "Gottesstaat" wird immer wieder verwendet. Ist es nicht eine Anmaßung, menschliches Denken über das Gemeinwesen, genannt Staat, in einen Gottesbegriff einzukleiden? Es ist gleichzeitig naiv, in dem nämlich bilderbuchartig Gott als Person auf die Erde geholt wird, um hier einen Staat zu leiten. So wie einen Ameisenstaat vielleicht.
Man will damit offensichtlich eine Unangreifbarkeit implementieren. Auf dieser geistigen Ebene lassen sich aber keine weiterführenden interkulturellen ernstzunehmenden Diskussionen führen. das führt zu nichts, denn die Begrifflichkeit in diesem Bereich ist absolut reformbedürftig.
Je mehr das Wort "Gott" eingesetzt und verwendet wird, desto unreligiöser erscheint mir die Sache.
Seid wachsam und achtet auf die Worte! (Irgendwo stand das mal...)

 

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