09 September 2008

Wir sind mehr II

Zum Staatsbegriff im Islam: Es gibt ihn nicht. (1)

Wir haben die - historisch gewachsene - Vorstellung, dass die Macht an den Flächenstaat gebunden ist, die Macht grundsätzlich über Gesetze geregelt und in Strukturen festgelegt ist. Im Islam hingegen gibt es den Flächenstaat nicht. Es gibt nur die Menge der Muslime. Daher auch die Art, erst mal Gesetze zu akzeptieren, wo man hinkommt und diese als jene des dortigen Regierenden zu verstehen.
Mit dem Anwachsen der Menge der Muslime, die sich als separate Gruppe versteht, werden dann allmählich mehr Forderungen an die Umgebung gestellt, und - wenn sie mehr sind - auch der Machtanspruch gestellt.

Es gilt im Islam weiterhin "Wir sind mehr".


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(1) Ein Artikel, den PI freundlicherweise veröffentlichte, der die Geisteshaltung des "wir sind mehr" begründet.

#87 Orianus (09. Sep 2008 06:35) kommentiert dort den Ansatz des Artikels mit weiteren Erläuterungen
Ein interessanter Denkansatz, der sich in dem Artikel offenbart. Man muss wissen, dass sich der Flächenstaat, so wie wir ihn heute kennen, etwa ab dem hohen Mittelalter aus der Konzentration diverser Herrschafts- bzw. Gerichtsrechte im Rahmen eines langen Prozesses herausgebildet hat, der um 1648 seinen vorläufigen Abschluss fand.

Die aufklärerischen und demokratischen Veränderungen danach vollzogen sich dann bereits auf der Basis moderner Flächenstaatlichkeit.

Eine solche Entwicklung hat es im Islam nicht gegeben. Die heutigen islamischen Staaten sind nach außen hin gewiss westliche Adaptionen, gesellschaftlich jedoch autoritär und archaisch strukturiert. Es ist kein Zufall, dass arabische “Staaten” oft von Clans und stammesartigen Strukturen beherrscht werden.

Dass der Islam auf Flächenstaatlichkeit nicht angewiesen ist, zeigt sich auch an der Operabilität islamischer Terroristen, die gleich frühmittelalterlichen Personenverbänden als Netzwerke funktionieren.

Im Übrigen muss ich einem Beitrag oben doch widersprechen: Demokratie erstreckt sich nicht einfach auf die Mehrheit von Einzelpersonen, sondern ist klar an staatliche Souveränitätsrechte gebunden, die im Falle der demokratischen Staatsform - zumindest formal - vom Volk und nicht, wie im absolutistischen Staat, vom Fürsten abgeleitet wird.

Formalisierte Mehrheitsentscheidungen sind dem Islam indes fremd. Es reicht gewissermaßen die gefühlte Dominanz im Einflussbereich eines islamischen Personenverbandes - der Autor spricht oben treffend von “Gebiet” -, die islamische Würdenträger dazu legitimiert, hoheitliche Macht auszuüben.

#88 Orianus (09. Sep 2008 06:38)
Nachtrag zum letzten Satz:
Deshalb sind Moscheen und Minarette als Sympbole gesellschaftlicher Dominanz für den politischen Islam auch so wichtig.


In den Kommentaren findet sich dann auch eine Diskussion des Begriffes der Demokratie. Demokratie ist eben mehr als nur Mehrheitsentscheidung, wie zb #103 DerTraurige (09. Sep 2008 11:47) sagt:

Es würde PI nicht geben, wenn hier die Mehrheit von vornherein der Minderheit ’sagen würde, wo es langgeht’ Klaro?!
Demokratie ist dort, wo ein christlich-jüdisches - oder, wie viele Demokraten es lieber sagen würden und dürfen - humanistischnes Menschenbild vorherrscht, dem die Vorstellung eines verantwortungsfähigen, handlungsfähigen, selbstbestimmten (…halloooo?) Individuums zugrunde liegt. Demokratie bedeutet grundsätzlich, dass man sich INNERHALB der sich daraus zwingend ergebenden Spielregeln bewegt (Das gilt übrigens für BEIDE Geschlechter!) Weil einige kulturelle Bereicherer mit diesen Regeln systembedingte Probleme haben, gibt es u.a. PI.
Nach dieser Logik hat Scharia nichts mit Demokratie zu tun, selbst wenn die Mehrheit Scharia wollte.
Es geht in der Demokratie nicht darum, dass der das Sagen hat, der gerade mal stärker ‘draufhauen’ kann. Natürlich hat auch die bundesdeutschen ‘Lobbykratie’ hier so ihre Schwächen (wohlgemerkt: ‘Schwächen’ im Sinne einer beklagenswerten Verminderung des möglichen Zielerreichungsgrades demokratischer Spielregeln). Hitler war kein Demokrat, er hat die Demokratie nur taqqiyamäßig ausgenutzt. Merke: Demokratie kann sich nie selber abschaffen aber ein Volk kann sie, dieses kostbare Gut, missachten, vernachlässigen, mit Füßen treten und sich von ihr abwenden. Trotzdem beleibt sie immer Demokratie.

Vergleiche dazu auch

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