12 April 2006

Tricks - Aufhebung 1.0

Aufhebung des eben Gesagten in einem Nebensatz.

Prof. S. M. Abdullah bespricht die Rechte der Frau, eine Ehe aufzulösen, sobald sie das Reifealter erreicht hat, und zitiert dazu "Gesetzestexte" (1)

Wenn eine Minderjährige zur Schließung einer Ehe von anderen als dem Vater oder Großvater verpflichtet wird, so hat sie das Recht, bei Erreichung des Reifealters den Ehevertrag zu bestätigen oder aufzulösen, ganz nach ihrem Belieben.
Na also. Das Mädchen wurde zwar verheiratet, bevor es pubertierte, aber nun ist es reif und es kann die Sache nochmals überdenken. Das tönt ganz vernünftig. Der Text sagt weiter
Ja, die Minderjährige hat diese Wahl sogar auch dann, wenn der Heiratskontrakt durch den Vater oder Großvater vollzogen worden ist, ...
Sogar bei Verheiratung durch Vater, Grossvater ist sie also frei, nicht nur, wenn es ein Vormund tat. Aber wieso sollte das da anders sein? Immerhin, sie ist frei, auch wenn man als aufgeklärter Mensch diese Kinderehen daneben findet. Im Grunde kann man sich also zurücklehnen und sagen, andere Länder, ein wenig andere Sitten, aber alles ist gut. Lesen wir also den Satz ganz fertig:
... sofern der Genannte nämlich ein Taugenichts oder Bösewicht war, oder die Heirat offenkundig zum Nachteil der Minderjährigen geschlossen wurde.
Schön. Ist ja auch vernünftig: Niemand muss mit einem Lumpen verheiratet bleiben. Grossartig, diese Vernunft.
Oder doch nicht? Die Ehe kann also nur dann aufgelöst werden wenn es ein Halunke ist? Und wer entscheidet das? Der Halunke? Der Vater? Die Umgebung? Die Frau wird schon gar nicht erwähnt.
Der zweite Teil des Nebensatzes ist auch hübsch. Die Ehe muss offenkundig zu ihrem Nachteil geschlossen worden sein, damit sie aufgelöst werden kann. Wer entscheidet das wohl? Sicher nicht die Frau. Denn offenkundig heisst, dass jeder das so sieht.

Mit dem Nebensatz ist die Aussage, dass dass die Frau nach Belieben entscheiden könne, in ihr komplettes Gegenteil gedreht worden: Die Frau kann gar nichts entscheiden.
Der Text war so lang und ausführlich, damit der Nebensatz unterging - sofern man nicht darauf vorbereitet war.

Klarstellung: Kinderehe und Zwangsheirat sind illegal

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(1) die Anführungszeichen setze ich, weil es sich nicht um Gesetze eines säkularen Staates, sondern um Religionsvorschriften handelt (Amir Ali, Muslim Law, Bd. XI, S. 279).

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