08 Juni 2006

Kontext-Schwupps

Es ist ein beliebter Trick, unseren Blick vom Kontext abzulenken, in welchem eine Aussage gilt.

Unser Beispiel beginnt ganz angenehm, vernünftig und hübsch:

„Es ist ein Verbrechen, Frauen zum Kopftuchtragen zu zwingen“, sagt ein „niederländischer Islamwissenschaftler und Religionsgelehrter“ (1)
Endlich mal ein Mann, der die Sache beim Namen nennt, denken wir. Zwang ist schlecht, ja geradezu ein Verbrechen. Staaten und Gemeinschaften, die den Leuten ein religiöses Zeichen aufzwingen, sind zu verdammen, völlig richtig, völlig aufgeklärt. Es ist ja verrückt, dass man Frauen einpackt, endlich sieht das mal ein Muslim ein, mutig, dass er es sogar sagt. Er bekommt unsere volle Unterstützung, und unsere Sympathie.
Und dann fährt er weiter:
„Genauso ist es ein Verbrechen, Frauen am Kopftuchtragen zu hindern“, sagt er darauf.
Schwupps. Was sagen wir da? Zwang ist schlecht. Verbot ist schlecht. Leuchtet ein. Aber ein Verbrechen? Das ist wohl eine rhetorische Übertreibung. Sehen wir uns das mal ganz wohlwollend an, trotz des mulmigen Gefühls, und setzen wir es dann ins richtige Licht.

Eine Frau, die freiwillig ein Kopftuch trägt? Warum denn nicht?

Ich stelle mir also vor, wie sich Gina Lollobrigida im Mai vor ihrem Haus ein Kopftuch umbindet, sich in ihren offenen Sportwagen setzt und durch Rom kurvt. Die Männer horchen auf, wenn sie den Klang des Motors von ferne hören, sie leben auf, wenn sie Gina Lollobrigida sehen, sie drehen den Hals, wenn sie vorbeifährt und gucken ihr nach im weitergehen, bis ein Laternenpfahl sie stoppt, und sie fallen glücklich in Ohnmacht.
Sie wachen nach ein paar Sekunden wieder auf im Bewusstsein, Gina Lollobrigida in ihrem Maserati gesehen zu haben, mit Kopftuch und wehendem Seidenschal um den Hals, eine schöne Frau in einem schönen Wagen, ein Lob auf die Schöpfung, die ein solches Wesen schuf, und ein Lob auf die Ingenieure, die einen Wagen mit dieser herrlichen Form schufen, das geeignete Gefährt, dieses gottgeschaffene Wesen durch die Strassen zu tragen, ein Tribut an den Schöpfer, der uns die Fähigkeit gab, Schönheit zu erkennen und zu bewundern.

Ja, es ist ein Verbrechen, dieser Frau das Kopftuch zu verbieten. Das ist eine durchaus passende rhetorische Übertreibung. In diesem Kontext gilt die Aussage.

Und weil Gina Lollobrigida eine schöne Frau ist und wunderbar aussieht mit dem Kopftuch an einem Sommertag im Fahrtwind des Cabriolets, ist es dann möglich, dass man einer anderen Frau das Kopftuch verbietet, welche vor einer Klasse steht und Unterricht erteilt, und mit ihrem Kopftuch signalisiert, lernet fleissig, liebe Kinder, denn im Grunde bin ich Gina Lollobrigida, oder Brigitte Bardot, oder die Schönheit an sich, die jetzt in der freien Natur in einem Maserati Spyder in der Sonne kurvt und von der anderen Hälfte der Menschheit bewundert, geliebt und geachtet wird. Und wenn die Stunde vorbei ist und ihr auf die Strasse geht, liebe Kinder, dann kommt ein Cabriolet, und am Steuer sitzt eine selbstbewusste und schöne Frau in der Blüte ihres Lebens, und wenn ihr euch schön anstrengt und gut lernt und einen Beruf erlernt und fleissig seid, dann werdet ihr mal genug Geld verdienen um euch so ein Cabriolet zu leisten und es eurer geliebten Frau zum Geburtstag zu schenken, sofern sie es sich nicht schon selber gekauft hat, denn sie hat ja auch gut gelernt, gut gearbeitet, und sie kann sich das leisten, in dieser Gesellschaft, in der Frau und Mann gleichberechtigt sind und sich gegenseitig achten.

Ja, es ist ein Verbrechen, so einer Frau das Kopftuch zu verbieten. In diesem Kontext gilt die Aussage.

Und wenn sie das Kopftuch trägt, um zu sagen, dass ihre Religion das vorschreibt, weil sie sich vor den Blicken der Männer schützen soll, die sich nicht beherrschen können und die von jeder sichtbaren Haarlocke zur Vergewaltigung getrieben werden - dann stimmt etwas nicht. Denn solche Männer achten die Schöpfung nicht, von denen gibt es hier nur wenige, und die sperrt man besser in ein Heim oder aus dem Land, damit die Frauen sich nicht ihretwegen unter einem Tuch verstecken müssen. Denn es wäre ein Verbrechen, die Frauen dafür zu strafen, dass ein paar Schweinehunde ihre Sexphantasien nicht in den Griff kriegen und unverhüllte Frauen für Freiwild halten.
Ein solches Kopftuch würde ausserdem die missratenen Männer für normal erklären, und das wäre verheerend für die Gesellschaft, für die Frauen und die wirklich normalen Männer.

Ein solches Kopftuch ist eine dauernde Beleidigung der Männer, die sich im Griff haben.

In diesem Kontext wird das Kopftuch auch zur Beleidigung der Schöpfung. Und das darf durchaus als Verbrechen bezeichnet werden.

Es ist darum nötig und richtig, dieses Kopftuch zu verbieten.

Da kann ein „Wissenschaftler und Gelehrter“ den Kontext wegschwuppen, so lange er will.


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(1) Jytte Klausen, Europas muslimische Eliten, p 120 (eine soziologische Untersuchung, die durch ihre Datensammlung interessant ist, aber gegenüber den Grundaussagen des Islams ahnungslos wirkt)

Erfahrungsbericht in EMMA

französische staatliche Untersuchungen zum Kopftuch:
Rapport Stasi
Rapport Obin


Hans-Peter Raddatz zum Kopftuch
Frauen sind selber schuld, sagt ein islamischer Geistlicher
Morddrohung gegen Kopftuch-Kritikerin
Politik und Pseudomoral - Das muslimische Kopftuch und seine Botschaften
Chahdortt Djavann - Kopftuch ist wie gelber Stern
Kopftuchentscheid Bayern Januar 2006
Warum das Kopftuch nicht wie die Nonnentracht ist
Die Frauenrechtlerin Mina Ahadi über den 8. März im Iran, Musliminnen im Westen – und die Ignoranz der Europäer
Bericht aus Afghanistan
Ekin Deligöz zum Kopftuch und zur Freiheit.

Juni 2008: Ein Kopftuchverbot für Schülerinnen ist notwendig (ausführlicher Vortrag)
März 2009: Unter's Kopftuch geprügelt: klickmich

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