13 Februar 2008

Folklore

Cem Özdemir greift das Thema mangelnder Integration mit einem Vergleich mit den Russendeutschen auf.

Mitte der neunziger Jahre flog ich mit einer Delegation des Bundestages nach Usbekistan und Kasachstan. Es ging zu "unseren" deutschen Brüdern und Schwestern, deren Vorfahren sich im 18. Jahrhundert auf Einladung der Zarin Katharina der Großen im damaligen Russland niederließen. Diese Auswanderer waren zumeist Bauern gewesen, die in Russland das fruchtbare, aber brachliegende Land nutzbar machen sollten. Wir besuchten das Deutsche Haus, lauschten deutschem Liedgut und bewunderten deutsche Trachten - mehr als 200 Jahre, nachdem die erste Generation dieser Auswanderer ihre ursprüngliche Heimat verlassen hatte. (1)

Sie kamen nach Russland, beackerten das Land, wurden russische Bürger und lebten in Frieden. Ihre Herkunft haben sie auch nicht vergessen. Schön, dass die auch noch Trachtenvereine und Singvereine haben. Sie haben sich integriert. Selbständig.
Zum anderen zeigt sich aber auch, dass die Deutsch-Türken tatsächlich die Aussiedler der Türkei werden könnten. [..] Die Vorstellung, dass in 200 Jahren türkische Politiker nach Deutschland kommen, um türkischem Liedgut zu lauschen und türkische Trachten zu bewundern, mutet jedoch bizarr an.

Vergleiche dienen dazu, einen Sachverhalt zu erhellen. Bei Özdemir dienen sie dazu, die Harmlosigkeit der Feindseligkeit gegenüber dem Land, das sie ernährt, zu verschleiern.

Gegen die Trachten hat keiner etwas. Aber ich wusste nicht, dass Ehrenmorde, Angriffe auf Feuerwehr und Sanitäter, totschlagen von Rentnern und einbetonieren von Schülern zur Folklore gehören.

Ich muss wohl noch einiges lernen über Folklore.

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(1) SpiegelONLINE, 12.2.2008

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